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Was Kandidaten wirklich von KI halten, was Schüler auf TikTok wollen und wer die Aufsteiger des Jahres sind

  • Writer: Julian Ziesing
    Julian Ziesing
  • Jun 16
  • 6 min read

Interview mit Andreas Hansen zum Kandidaten-Survey von Potentialpark über das aktuelle Jobsuch-Verhalten der Zielgruppe


Andreas Hansen

Knowledge Evolution Specialist bei Potentialpark. Kommt (wie ich) aus dem Norden, arbeitet (wie ich kürzlich) in Stockholm, beim Marktforschungs-Institut Potentialpark, wohnt allerdings in Helsinki.


Was sich hinter seinem Titel verbirgt, erklärt Andreas uns ebenso wie die Ergebnisse der letzten Kandidaten-Befragung von Potentialpark.


Julian: Andreas, viele im Personalmarketing kennen dich schon als Daten-Champion von Potentialpark und aktiven Trend-Poster auf LinkedIn. Stell dich trotzdem lieber nochmal vor, und vor allem: Was bedeutet dein Titel genau?


Andreas: Der Titel beschreibt gut, was ich mache: Mein Job ist es, das Wissen, das wir bei Potentialpark haben und weitergeben, weiterzuentwickeln, sowohl inhaltlich als auch didaktisch.


Die Besten experimentieren und investieren kontinuierlich

 

Julian: Ihr habt die Potentialpark-Studien wieder durchgeführt und dafür weltweit 30.000 Kandidaten befragt und 1000 Employer Brands und ihre Auftritte untersucht. Thema sind die Kommunikations-Kanäle Karriereseiten, Social Media und die Onlinebewerbung. Die Frage lautet: Wer kommuniziert am kandidaten-freundlichsten?


Für alle, die bei eurem Summit bei OTTO in Hamburg nicht dabei sein konnten: Wer sind denn die Sieger in Deutschland, und was machen die besser als andere?


Andreas: Die diesjährige Top 5 im deutschen Potentialpark-Ranking sind Deloitte, Fresenius, KPMG, ams Osram und ZEB. Was sie gemeinsam haben: Sie experimentieren und investieren kontinuierlich in die Verbesserung ihrer Kommunikationskanäle.


Employer Branding ist kein Einmalprojekt. Es braucht ständige Pflege und Weiterentwicklung. Bei manchen sieht man auch, dass über Jahre harte Arbeit investiert wurde, um nicht nur an die Spitze zu kommen, sondern sich dort auch zu halten.

 

Julian: Wir befinden uns in einer Rezession, haben aber gleichzeitig Fachkräftemangel. Wie spiegelt sich das in euren Studien wider: Sparen Arbeitgeber nur, oder gehen manche auch offensiv in den Wettbewerb?


Andreas: Das Bild ist sehr gemischt. Es gibt Unternehmen, die bewusst investieren, um gestärkt aus der Krise hervorzugehen. Andere hingegen haben schlicht keine Mittel mehr. Da werden Kanäle eingestellt, zum Beispiel Social-Media-Profile, die früher bespielt wurden. Man sieht also beides: Investition und Rückzug.

 

Meter gemacht: Die Aufsteiger des Jahres bei Potentialpark 2025 - Deutschland. Die Studie misst die Karrierefreundlichkeit von Karriereseite, Onlinebewerbung, sozialen und professionellen Auftritten
Meter gemacht: Die Aufsteiger des Jahres bei Potentialpark 2025 - Deutschland. Die Studie misst die Karrierefreundlichkeit von Karriereseite, Onlinebewerbung, sozialen und professionellen Auftritten

Julian: Spannend finde ich auch immer die Aufsteiger, also die Arbeitgeber, die seit dem letzten Jahr den größten Sprung nach vorn gemacht haben (siehe Tabelle). Generell: In welchen Branchen läuft es derzeit gut in Deutschland?

 

Andreas: Ganz vorne liegen aktuell die Rüstungsunternehmen. Auch Consultingfirmen, Versicherungen und Logistikunternehmen performen gut. Und sogar einige Autobauer, was vielleicht überrascht.


 Julian: Du hast einen Trend zum Thema Social Media mitgebracht, konkret TikTok. Was zeigt sich da?

 

Andreas: Wir führen zwei Studien durch, eine unter Studierenden und eine unter Schülerinnen und Schülern, die kurz vor einer Ausbildung stehen.


Wo die Kandidaten sind: Bei YouTube, TikTok und Snapchat spalten sich die Zielgruppen
Wo die Kandidaten sind: Bei YouTube, TikTok und Snapchat spalten sich die Zielgruppen

In der jüngeren Zielgruppe, also bei Schülern, sehen wir eine stärkere Nutzung von TikTok und Snapchat. Studierende hingegen nutzen stärker YouTube.


Konkret: 83 Prozent der Studierenden nutzen YouTube, bei den Schülerinnen sind es nur 67 Prozent. TikTok hingegen wird von 68 Prozent der Schülerinnen genutzt und von 63 Prozent der Studierenden.


Die Hälfte der Kandidaten nutzt KI zur Optimierung der Bewerbungsunterlagen

 

Julian: Welche Arten von Arbeitgeber-Content funktionieren denn gut auf TikTok?

 

Andreas: Authentischer Content ist entscheidend. Das ist das Einmaleins im Employer Branding. Besonders gut funktionieren Inhalte, die Wertschätzung für Azubis zeigen oder konkrete Stellenangebote bewerben.


Azubis wollen sehen, dass sie ernst- und wahrgenommen werden.

 

Julian: KI ist ja das große Trendthema. Was zeigt sich da?

 

Andreas: Unsere Daten stammen noch aus dem Herbst/Winter, aber wir sehen: 43 Prozent der deutschen Kandidatinnen sind offen oder begeistert davon, KI im Bewerbungsprozess zu nutzen. Der weltweite Durchschnitt liegt bei 44 Prozent.


Wir bekommen auch vermehrt Anfragen von Unternehmen, die wissen wollen, wie ihre Sichtbarkeit in KI-Systemen ist. Kandidatinnen nutzen diese Tools auch, um Ausbildungsplätze in einer bestimmten Region zu suchen.

 

Julian: Schreiben Bewerber mit KI ihre Lebensläufe und bereiten sich auf Vorstellungsgespräche vor?

 

Andreas: Ja, rund die Hälfte nutzt KI zur Optimierung der Bewerbungsunterlagen. Etwa ein Drittel nutzt sie zur Stellensuche.


Prozentzahl der Kandidaten, die AI für die genannten Zwecke einsetzt
Prozentzahl der Kandidaten, die AI für die genannten Zwecke einsetzt

Deepfakes von Bewerberseite aus haben wir bislang nicht beobachtet. Es gibt erste Beispiele von Unternehmen, die virtuelle Chatbots im Bewerbungsgespräch einsetzen. Das ist aber noch nicht flächendeckend.

 

Julian: Ein Fall, wo ein Bewerber sich als Deep Fake herausstellte, hat vor kurzem auf LinkedIn die Runde gemacht - durchaus etwas scary. Aber mal zu den Arbeitgebern: Wo setzen die KI bereits erfolgreich ein?


Screenshot aus einem Interview mit einem Deep Fake: der Recruiter (rechts) schöpfte Verdacht und bat den "Bewerber", eine Hand vor das Gesicht zu halten, was dieser nicht konnte. (Quelle: Vidoc Security auf LinkedIn https://www.linkedin.com/posts/dawid-moczadlo_wtf-developer-used-ai-to-alter-his-appearance-activity-7292604406464671744-T_Nw/)
Screenshot aus einem Interview mit einem Deep Fake: der Recruiter (rechts) schöpfte Verdacht und bat den "Bewerber", eine Hand vor das Gesicht zu halten, was dieser nicht konnte. (Quelle: Vidoc Security auf LinkedIn https://www.linkedin.com/posts/dawid-moczadlo_wtf-developer-used-ai-to-alter-his-appearance-activity-7292604406464671744-T_Nw/)

Andreas: Viele ATS-Systeme arbeiten inzwischen mit KI – manche gut, manche weniger. Ein aktueller Fall betrifft Workday. Dort gab es juristische Auseinandersetzungen wegen möglicher Altersdiskriminierung durch KI.


Spannend wird es in Europa, wo nicht nur der Anbieter, sondern auch das Unternehmen selbst haftet, wenn es diskriminierende KI einsetzt.

 

Julian: Am Ende liegt die Verantwortung doch auch beim Arbeitgeber. Sie müssen prüfen, was die Tools machen, und dürfen sich nicht blind auf sie verlassen.

 

Andreas: Absolut. Wir beraten Arbeitgeber zunehmend dazu, weil das Thema so aktuell ist. Unsere Daten aus ATS-Audits können helfen, Risiken zu erkennen und fundierte Entscheidungen zu treffen.

 

Julian: In Europa sorgt der EU AI Act noch für Unsicherheit bei der Entwicklung von KI-Lösungen. Es ist teils nicht klar, was überhaupt erlaubt ist und was nicht. Sind Arbeitgeber und Provider in anderen Regionen mutiger?

 

Andreas: Die anfängliche Unsicherheit durch den EU AI Act ist verständlich, doch das Gesetz schafft vor allem langfristig Vertrauen und klare, verlässliche Regeln.


Die daraus resultierende Vorbildfunktion der EU ist unverkennbar, was sich darin zeigt, dass Kanada sein geplantes AIDA-Gesetz (Artificial Intelligence and Data Act) bewusst am europäischen Modell ausrichtet.


Während andere Regionen wie die USA durch einen Flickenteppich an Regeln eine andere Art von Unsicherheit erzeugen, wählt die EU einen strategischen, wertebasierten Weg. Es handelt sich also nicht um einen Mangel an Mut, sondern um den Aufbau eines globalen Wettbewerbsvorteils durch vertrauenswürdige Technologie.


Zum Thema Mut bei der Implementierung von AI-Modellen sehen wir definitiv Initiativen in Europa und den USA, in Asien ist man überraschenderweise etwas zurückhaltender


Die Zielgruppe hat einen "Bullshit-Detektor"

Julian: Ein kontroverses Thema, vor allem, was die Rolle der EU angeht. Doch kommen wir zu einer anderen Frage: Was schreckt Bewerber aktuell davon ab, sich zu bewerben?

 

Andreas: Ganz klar: unzuverlässige Informationen auf Karrierewebseiten. Über die Hälfte der deutschen Kandidat*innen hat solche Erfahrungen gemacht.


Besonders negativ wirken überinszenierte Darstellungen des Arbeitsalltags – wenn alles zu schön klingt, wird es unglaubwürdig. Die Zielgruppe hat einen „Bullshit-Detektor“, auch ohne viel Arbeitserfahrung.


Wertschätzung erwartet: Was Kandidaten als "Deal Breaker" empfinden
Wertschätzung erwartet: Was Kandidaten als "Deal Breaker" empfinden

 

Julian: Wie sieht es mit Azubis aus? Was ist ihnen wichtiger: Sicherheit oder Benefits?

 

Andreas: Unsere Daten zeigen: Kurzfristig sind Benefits und Vergütung wichtiger. Aber langfristig wünschen sich Azubis Informationen zur Übernahme. Das spielt eine wichtige Rolle bei der Arbeitgeberwahl. Sie sind kompromissbereit, aber der Arbeitgeber sollte transparent sein.


Der Trend beim Bewerben geht zur Vereinfachung

 

Julian: Wie verändert sich die Online-Bewerbung grundsätzlich, abgesehen von KI?

 

Andreas: Es gibt zwei Denkschulen: einfache Bewerbung versus selektive Hürden. Der Trend geht klar zur Vereinfachung.


Besonders bei Azubis sehen wir neue Wege, etwa Bewerbungen über WhatsApp – das hat Jungheinrich etwa flächendeckend eingeführt, von Azubi bis Führungskraft. Auch die Frage nach Registrierung vor der Bewerbung bleibt aktuell. Aber Unternehmen kommunizieren inzwischen besser, warum sich eine Anmeldung lohnt.

 

Julian: Letzte Frage: In manchen Bundesländern fällt dieses Jahr ein kompletter Abiturjahrgang aus. Wie reagieren Arbeitgeber darauf?

 

Andreas: Das Interesse an Azubi-Dienstleistungen ist gestiegen – unsere letzten Webinare waren voll. Wir haben von Kunden gehört, dass durch gezielte Maßnahmen die Bewerberzahl um bis zu 60 Prozent gesteigert werden konnte.


Vermutlich trifft es kleinere und mittelständische Unternehmen noch härter als Konzerne. Besonders in NRW, Bayern und Baden-Württemberg. Hier müssen wir die nächsten ein bis zwei Jahre abwarten.

 

Julian: Abwarten und Tee trinken – das ist im Norden ja immer eine beliebte Idee. Gibt es etwas, das du den Lesern zum Schluss noch mitgeben möchtest?

 

Andreas: Ja. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Das gilt besonders im Bereich Social Media. Auch wenn eine Idee erstmal seltsam wirkt – wenn Compliance und Chef zustimmen, einfach ausprobieren. Man muss hervorstechen. Wer auf Nummer sicher geht, fällt nicht auf.


Julian: Ein gutes Schlusswort. Andreas, danke für die Einblicke!


 




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